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Blitz-Comeback endet mit sechs Punkten

  13 Mai, 2022

Engin Yildirim hilft trotz seiner 41 Jahre beim neuen Spitzenreiter VfL Kurpfalz Neckarau aus – und ist auf den Geschmack gekommen

 

Als Ende April nachmittags das Handy klingelte und am anderen Ende der Leitung Feytullah Genc, einer von drei Trainern des Fußball-Landesligisten VfL Kurpfalz Neckarau, loslegte, nahm Engin Yildirim das alles zunächst nicht wirklich ernst. „Feytullah fragte mich, ob ich am Sonntag in der Neckarauer Landesliga-Mannschaft spielen kann. Ich dachte, zunächst er scherzt“, sagt der 41-Jährige. „Ich hatte ja seit einem halben Jahr mit Fußball gar nichts mehr am Hut. Zuvor habe ich beim VfL Kurpfalz die Torleute trainiert, aber selbst schon lange nicht mehr gespielt. Ich fand den Gedanken, in wenigen Tagen gegen den VfB St. Leon in einem wichtigen Pflichtspiel für einen Landesligisten, der dazu noch aufsteigen möchte, im Tor zu stehen, etwas verrückt“, schmunzelt Yildirim. Doch die „verrückte“ Idee wurde Realität, zuletzt stand Yildirim zwei Mal zwischen den Pfosten des neuen Landesliga-Tabellenführers.

„Von Anfang habe ich mir Sorgen gemacht, dass ich konditionell nicht auf der Höhe bin und auf dem Niveau nicht mithalten kann. Als Torwart ist die Kondition schließlich wichtig, weil du dich bei guter körperlicher Verfassung viel länger konzentrieren kannst“, erklärt Yildirim.

Ausgerechnet gegen Türkspor

Für die Neckarauer, bei denen Stamm-Torhüter Raul Chira schon die gesamte Spielzeit verletzt ausfällt und die nun auch den Rot-gesperrten Osaigbovo Clemens ersetzen mussten, war das allerdings zweitrangig. „Engin musste ich einfach fragen, allein schon wegen seiner Routine“, sagt Neckaraus Coach Genc. „Feytullah meinte, ich solle mir wegen der Kondition keine Sorgen machen, meine Erfahrung wäre wichtig“, betont der überraschte Aushilfskeeper, der sich letztlich überzeugen ließ, dass es einen Versuch wert sein könnte. Und die Aktion ging dann auch gut. Sie ging sogar sehr gut. Neckarau gewann auch dank Yildirim gegen St. Leon mit 3:2. „Meine Vorderleute waren prima, ich war auch gar nicht nervös, das war toll“, sagt Yildirim.

Da Clemens ebenfalls für die Top-Partie beim FC Türkspor Mannheim noch gesperrt war, musste der Torwartfuchs, der bald 42 Jahre alt wird, dann am vergangenen Sonntag wieder ran. Ausgerechnet gegen Türkspor. „Ich habe da zwei Jahre gespielt und es war eine sehr schöne Zeit. Türkspor ist ein gut strukturierter Verein, echt toll“, sagt der gebürtige Sinsheimer, der als Keeper unter anderem schon die Trikots der TSG 1899 Hoffenheim, TSG Weinheim und VfR Mannheim trug. Durch sein Engagement bei den Rasenspielern kam Yildirim dann auch mit der Mannheimer Fußballszene in Kontakt.

In der Begegnung gegen Türkspor führten die Neckarauer schnell mit 3:0. Dann startete der Lokalrivale im Kampf um Titel und Aufstieg eine furiose Aufholjagd, verkürzte auf 3:2 und drängte in der Schlussphase auf den Ausgleich. „Oh ja – das war hart. ich dachte nur: Schiedsrichter, pfeif doch endlich ab, ich hab keine Luft mehr“, lacht Yildirim. Doch es ging wieder gut. Neckarau gewann das Derby bei Türkspor mit 3:2 und eroberte zugleich die Tabellenführung. Vier Spieltage vor Schluss ist der VfL Kurpfalz nun auf der Pole Position und hat zwei Punkte Vorsprung. „Ich habe den Jungs nach dem Spiel am Sonntag scherzhaft gesagt: Ich habe euch an die Tabellenspitze gebracht, nun bringt es zu Ende“, schmunzelt Yildirim.

Jetzt nur noch Zuschauer

Also spielt er am Samstag, wenn der VfL Kurpfalz zu Hause die SG Heidelberg-Kirchheim um 15 Uhr empfängt, etwa nicht? „Nein, ich habe Feytullah und den anderen Coaches gesagt, ich brauche eine Pause. Außerdem ist Osaigbovos Sperre vorbei und der Junge ist super“, sagt Yildirim, der auch nicht auf der Ersatzbank Platz nehmen wird.

Zuschauen wird Yildirim, der ab der nächsten Runde wieder die Keeper der Neckarauer trainieren wird, aber auf jeden Fall. Und was ist, wenn das Handy wieder klingelt und Genc wieder fragt, ob er nicht doch aushelfen kann? „Ich muss gestehen: nach den beiden tollen Spielen habe ich wieder Blut geleckt. Ausschließen würde ich es nicht, dass ich wieder zusagen würde, wenn Not am Mann ist“, sagt Yildirim. „Und beim nächsten Mal weiß ich, dass das gar nicht so verrückt wäre.“

Text: Mannheimer Morgen, Reiner Bohlander, Bild: Berno Nix

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